2008: Mitwirkung der DGUF am "Leitfaden zur Folgenabschätzung der Europäischen Kommission"

Die Europäische Kommission kündigte am 4. Juni 2008 eine Neufassung ihres Leitfadens für Folgenabschätzung an. Das Verfahren zur Folgenabschätzung für europäische Gesetzesvorhaben und Normensetzungen ist von großer Bedeutung. Denn dabei wird vorab geprüft, ob neue Gesetzesinitiativen möglicherweise negative Auswirkungen auf Bereiche haben, für die sie gar nicht gedacht waren.
In jüngster Zeit hatten verschiedene Gesetze und Normen zum Umweltschutz oder zum Verbraucherschutz ungewollt negative Auswirkungen auf das kulturelle Erbe. So wurden z. B. bleihaltige Farben generell verboten, obwohl etwa Bleiweiß bei der Restaurierung von Gemälden unabdingbar ist. Die Vorschriften zur Reduktion des CO2-Ausstoßes haben negative Auswirkungen auf denkmalgeschützte Gebäude. So werden Maßnahmen zur Wärmedämmung gefordert, die nur durch massive Eingriffe in die Bausubstanz zu erzielen wären. Die Vorschriften zur Renaturierung von Gewässern können zur großflächigen Zerstörung von Kulturdenkmälern in der Landschaft, historischen Wasserbauten und historischer und archäologischer Denkmäler an Bachläufen führen.

Während Natur-, Landschafts- und Umweltschutz heute selbstverständlich in solche Folgenabschätzungen eingebunden sind ("Umweltverträglichkeitsprüfung", UVP), ist das kulturelle Erbe bis dato nur unbefriedigend berücksichtigt ("Kulturverträglichkeitsprüfung"). Die DGUF beteiligte sich am 30. Juni 2008 mit einer aufwendigen Stellungnahme an den Anhörungsverfahren der EU-Kommission und sprach sich für eine Aufnahme auch des kulturellen Erbes in solche Verfahren aus.
Gerade bei dieser politisch hochsensiblen Stellungnahme – Kultur gilt ja als besondere Hoheit der Nationalstaaten, in Deutschland der Länder – konnte die DGUF viele Verbündete finden, nicht nur unter "befreundeten" und "verwandten" Verbänden in Deutschland, der Schweiz und Österreich, sondern auch vom Deutschen Städte- und Gemeindetag, dem Deutschen Kreistag und aus Kulturministerien und Behörden der Länder. Dies hat der DGUF-Stellungnahme ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit eingebracht.

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, führte die DGUF am 20. April 2009 im Pergamon-Museum Berlin ein Fachgespräch mit den beiden damaligen deutschen Vertreterinnen im Kulturausschuss des Europäischen Parlaments. Ziel war vor allem, die Wahrnehmung für das Problem bei den Entscheidungsträgern zu schärfen. Letztendlich wurde die Forderung der DGUF erfüllt: Das Kulturerbe, die Kultur insgesamt und die kulturelle Vielfalt wurden als Prüfkriterien in das Folgenabschätzungsverfahren aufgenommen.

Stand: Herbst 2009

Weitere Informationen