Der Beruf Grabungstechniker ist seit Jahren von einem erheblichen Fachkräftemangel geprägt. Wegen akuter Sparzwänge plant die HTW Berlin im Herbst 2025 indes, u.a. die Studiengänge für den Bereich Grabungstechnik und Restauration bis 2031 auslaufen zu lassen. Damit würde ein in Deutschland einzigartiger Qualifizierungsweg entfallen und den bereits bestehenden Fachkräftemangel erneut verschärfen. Die DGUF wendet sich daher an die Entscheidungsträger der HTW Berlin:
- DGUF-Schreiben an Präsident und Dekan HTW Berlin (23.10.)
- Antwort des Dekans FB 5, Prof. Th. Bremer (24.10.)
- AK privatwirtschaftliche Archäologie CIfA Deutschland an Prof. Thomas Bremer, Fb 5 HTW Berlin (30.10.)
- Weitere Stimmen zu den Schließungsplänen
- Presse
- Aktuelles
DGUF-Schreiben an Präsident und Dekan HTW Berlin (23.10.):
Sehr geehrte Frau Präsidentin der HTW Berlin,
Sehr geehrter Herr Dekan des Fachbereichs 5 der HTW Berlin,
die DGUF – Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (www.dguf.de) – als größte bundesweit tätige Fachgesellschaft für das Themenfeld Archäologie in Deutschland bittet Sie, die mögliche Schließung resp. das Auslaufen der Studiengänge Konservierung und Restaurierung / Grabungstechnik (B.A.), Konservierung und Restaurierung (M.A.) und Angewandte Landschafts- und Feldarchäologie (M.Sc.) an der HTW Berlin zu überdenken. Es geht um ein Qualifizierungsangebot, das in Deutschland einzig ist und dessen Absolventen auf einem nachweislich boomenden Arbeitsmarkt sehr gefragt sind. Ein Abschluss als Grabungstechniker FH ist in Deutschland an keinem anderen Standort möglich, mit dem Wegfall an der HTW Berlin wäre die Zukunft eines ganzen Berufs erloschen!
Die DGUF beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten intensiv mit dem „Beruf Archäologie“ in all seinen Aspekten. U.a. führen wir dazu seit 2019 jährlich Erhebungen durch, um fundierte Aussagen zur Wirtschaftslage und zum Arbeitsmarkt machen zu können. Daher wissen wir: Gegen landläufige Meinungen der Art „brotlose Kunst“, „Taxifahrer“ etc. sind qualifizierte ur- und frühgeschichtliche Archäologen und Grabungstechniker seit Jahren rar, Arbeitgeber beklagen einen bestehenden und wachsenden Fachkräftemangel.
Wenn von der Bodendenkmalpflege rechtsverbindlich mit einer Rettungsgrabung beauflagte Investoren in näherer Zukunft keine den Auftrag ausführende Grabungsfirma finden werden, weil es an archäologischen Fachkräften mangelt, können Investitionen öfter nicht stattfinden resp. müssen zeitlich kräftig verschoben werden. Dann ist der politischen Druck auf Denkmalschutzgesetze die absehbare Folge (Stichwort „Entbürokratisierung“).
Wenn Ausgrabungen in der notwendigen Anzahl und Qualität schlicht nicht mehr durchgeführt und in den Ämtern nicht hinreichend geprüft archiviert, konserviert und zugänglich gemacht werden können, verschwindet mit dem undokumentiert weggebaggerten archäologischen Befund eine unwiederbringliche Ressource – denn jeder Ausgrabungsbefund bringt uns einzigartige Erkenntnisse über die Vergangenheit.
Diese mittelfristige Konsequenz der Streichung der Studiengänge ist nicht dramatisiert oder „an den Haaren herbeigezogen“, sie ist wissenschaftlich belastbar. Es geht bei Ihrer Entscheidung um diese Konsequenz.
Gewiss, auf beiden Qualifizierungswegen – dem handwerklichen Weg („Grabungstechniker“) wie dem Weg HTW Berlin – knarzt es. Der Studiengang an der HTW Berlin ist u.W. seit längerem nicht ausgelastet. Wir vermuten und geben Ihnen als Gedanken mit: wegen unglücklich hoher Einstiegshürden („Vorpraktikum“), was mit kleinen, realitätsorientierten Renovierungen der Studienordnung änderbar wäre. Gleichwie: die Absolventen der HTW-Studiengänge finden ohne weiteres schnell Anstellungen im öffentlichen Dienst und sind begehrte Arbeitskräfte. Die Knappheit an qualifiziertem Nachwuchs FH hat u.a. dazu geführt, dass entsprechende Stellenausschreibungen im öff. Dienst statt ehedem nach TV-L 9 neu regelhaft nach TV-L 11 erfolgen.
Wir fügen Ihnen anhängend einen aktuellen, zusammenfassenden Aufsatz bei, der den Arbeitsmarkt Archäologie in Deutschland eingehend beleuchtet. S. 7-9 gehen wir auf das Feld Grabungstechnik ein, auf dem es erheblich höheren Arbeitskräftebedarf als Absolventen gibt!
Bitte erwägen Sie, die in Deutschland einzigartigen Qualifizierungen im Bereich Grabungstechnik beizubehalten, deren Absolventen auf dem Arbeitsmarkt derzeit und in absehbarer Zukunft heiß begehrt sind.
Mit freundlichen Grüßen! Diane Scherzler, DGUF-Vorsitzende
( anhängend: Siegmund, F. (2025). Arbeitsmarkt ur- und frühgeschichtliche Archäologie in Deutschland: aktueller Stand und Entwicklungen. Archäologische Informationen 48, Early View, online publiziert 15. Sept. 2025. [PDF] / Schenk, Th. (2021). Zur Situation der Grabungstechnik aus der Hochschulperspektive. Rundbrief Grabungstechnik, 19, 41-43. [dort]. )
Antwortschreiben von Prof. Thomas Bremer, Dekan des Fachbereichs 5 an der HTW Berlin (24. 10.):
Mit freundlichen Grüßen, Thomas Bremer
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Wilhelminenhofstraße 75 A, Geb. A, R. 101, 12459 Berlin
AK privatwirtschaftliche Archäologie CIfA Deutschland an Prof. Thomas Bremer, Dekan Fb5 HTW Berlin (30. 10.):
Sehr geehrter Dekan Prof. Thomas Bremer, sehr geehrte ProfessorInnen, DozentInnen und liebe Studierende der HTW Berlin,
wir – eine Gruppe namhafter archäologischer Fachfirmen – sind seit längerem bestens ausgelastet und suchen händeringend gut ausgebildete Fachkräfte, an denen es mangelt. Umso mehr bestürzen uns die aktuell um sich greifenden Kürzungen an den Fachinstituten für Ur- und Frühgeschichte, Archäologie der römischen Provinzen und Archäologie des Mittelalters und Neuzeit, und nun auch die drohende Schließung der Studiengänge Restaurierung und Grabungstechnik an der HTW Berlin.
Die Herausforderungen, vor die wir als Archäologen und Denkmalpfleger an Universitäten und Forschungsinstituten, bei Archäologiedienstleistern, Denkmalämtern und –behörden und Museen sowie der Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit in den nächsten Jahren, vielleicht Jahrzehnten, gestellt sein werden, gehen vor allem auf die großen Infrastrukturprojekte der Strom- und Wasserstofftrassen, Solar- und Windkraftprojekte, sowie den Ausbau des Schienennetzes zurück. Sie erfordern eine große Menge an archäologischen Fachkräften in allen Bereichen der deutschen Archäologie. Der Bedarf ist nachhaltig, von einer langfristigen Auslastung unserer Unternehmen ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen. Eine Archäologie, die diese von der Gesellschaft dringend gewünschten Projekte nicht umsetzt, macht sich überflüssig und wird abgeschafft („Entbürokratisierung“). Kurz: wir als Unternehmer wollen leisten, und dafür brauchen wir gut augebildete Fachkräfte.
Wir als Geschäftsführer der archäologischen Fachfirmen würden eine Zusammenarbeit mit der HTW Berlin bei der Aus- und Weiterbildung von zukünftigen Restaurator*innen und Grabungstechniker*innen sehr begrüßen.
Zahlreiche Grabungsfirmen sind bereit, z.B. bei einem Dualen Studium mitzuwirken. In unseren Unternehmen können zukünftige Grabungstechniker/Restaurator*innen an archäologischen Projekten in verschiedenen Bundesländern mitwirken, gern bieten wir auch Veranstaltungen an der HTW selbst an.
Bisher haben sich innerhalb weniger Tage 17 privatwirtschaftlichen Dienstleister für eine Zusammenarbeit gemeldet, zusammengenommen haben diese Firmen über 650 Mitarbeiter).
Über Möglichkeiten der Zusammenarbeit wollen wir gerne mit Ihnen sprechen.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. des Arbeitskreises privatwirtschaftliche Archäologie CIfA Deutschland
Sascha Piffko
Weitere Stimmen zur geplanten Schließung
VDR Verband der Restauratoren: "Drohende Schließung des Restaurierungsstudiengangs an der HTW Berlin" (22. Okt.): https://www.restauratoren.de/drohende-schliessung-des-restaurierungsstudiengangs-an-der-htw-berlin/
Berliner Antike-Kolleg (23. Okt.): https://www.berliner-antike-kolleg.org/bak/aktuelles/2025_10_23studiengaenge_htw.html
"CIfA Deutschland zur geplanten Schließung des Studiengangs Konservierung und Restaurierung / Grabungstechnik an der HTW Berlin" (24. Okt.): https://cifa-deutschland.de/fachpolitik/stellungnahmen-und-kommentare/103-cifa-deutschland-zur-geplanten-schliessung-des-studiengangs-konservierung-und-restaurierung-grabungstechnik-an-der-htw-berlin
DGAMN Deutsche Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit: "Protestnote HTW" (24.Okt.): https://www.dgamn.de/site/assets/files/1215/20251024protestnote_streichung_htw_studiengaenge_fin.pdf
Rainer Schreg: "Protest gegen die Streichung der Studiengänge Konservierung, Restaurierung und Grabungstechnik an der HTW Berlin" (Blog Archaeologik, 28. Okt.): https://archaeologik.blogspot.com/2025/10/protest-gegen-die-streichung-der.html
DVA - Deutscher Verband für Archäologie (29. Okt.): https://krg.htw-berlin.de/files/Stg/KR/Bachelor/DVA_Stellungnahme_Berlin.pdf
"Einstellung des Studiengangs Konservierung, Restaurierung, Grabungstechnik in Berlin geplant" (Industriekultur - Magazin für Denkmalpflege, Landschaft, Sozial-, Umwelt und Technikgeschichte, 29. Okt.): https://industrie-kultur.org/2025/10/einstellung-des-studiengangs-konservierung-restaurierung-grabungstechnik-in-berlin-geplant/
"„Kulturpflege ist wichtige Aufgabe des Staates“: HTW-Studierende kämpfen um ihren Restauratoren-Studiengang" (Tagesspiegel, 30.10.2025): https://www.tagesspiegel.de/wissen/kulturpflege-ist-wichtige-aufgabe-des-staates-htw-studierende-kampfen-um-ihren-restauratoren-studiengang-14679704.html
"Proteste für Erhalt: Deutschlandweit einzigartiger Studiengang steht in Berlin vor dem Aus" (BZ, 5.11.): https://www.bz-berlin.de/berlin/htw-studiengang-vor-dem-aus
"Zur möglichen Streichung von Studienplätzen an der HTW Berlin: Dramatische Nachricht für die Archäologie in Berlin?" (RBB radio3, 5.11.; Audio, 7:43 min.): https://www.radiodrei.de/programm/schema/sendungen/radio3_am_nachmittag/archiv/20251105_1600/radio3_aktuell_1620.html
Ende Oktober 2025 prüft ein sich auf Initiative von DGUF und CIfA Deutschland formierendes Konsortium aus der privatwirtschaftlichen Archäologie (z.Zt. mind. 13 große Firmen), ob das obige Angebot eines Dualen Studiengangs ein machbarer und nachhaltig tragfähiger Weg ist, den HTW-Ausbildungsweg zu erhalten. Ansprechpartner: Sascha Piffko, SPAU GmbH.
Stand: 5. Nov. 2025