Der Beruf Grabungstechniker ist seit Jahren von einem erheblichen Fachkräftemangel geprägt. Wegen akuter Sparzwänge plant die HTW Berlin im Herbst 2025 indes, u.a. die Studiengänge für den Bereich Grabungstechnik und Restauration bis 2031 auslaufen zu lassen. Damit würde ein in Deutschland einzigartiger Qualifizierungsweg entfallen und den bereits bestehenden Fachkräftemangel erneut verschärfen. Die DGUF wendet sich daher an die Entscheidungsträger der HTW Berlin:
Sehr geehrte Frau Präsidentin der HTW Berlin,
Sehr geehrter Herr Dekan des Fachbereichs 5 der HTW Berlin,
die DGUF – Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (www.dguf.de) – als größte bundesweit tätige Fachgesellschaft für das Themenfeld Archäologie in Deutschland bittet Sie, die mögliche Schließung resp. das Auslaufen der Studiengänge Konservierung und Restaurierung / Grabungstechnik (B.A.), Konservierung und Restaurierung (M.A.) und Angewandte Landschafts- und Feldarchäologie (M.Sc.) an der HTW Berlin zu überdenken. Es geht um ein Qualifizierungsangebot, das in Deutschland einzig ist und dessen Absolventen auf einem nachweislich boomenden Arbeitsmarkt sehr gefragt sind. Ein Abschluss als Grabungstechniker FH ist in Deutschland an keinem anderen Standort möglich, mit dem Wegfall an der HTW Berlin wäre die Zukunft eines ganzen Berufs erloschen!
Die DGUF beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten intensiv mit dem „Beruf Archäologie“ in all seinen Aspekten. U.a. führen wir dazu seit 2019 jährlich Erhebungen durch, um fundierte Aussagen zur Wirtschaftslage und zum Arbeitsmarkt machen zu können. Daher wissen wir: Gegen landläufige Meinungen der Art „brotlose Kunst“, „Taxifahrer“ etc. sind qualifizierte ur- und frühgeschichtliche Archäologen und Grabungstechniker seit Jahren rar, Arbeitgeber beklagen einen bestehenden und wachsenden Fachkräftemangel.
Wenn von der Bodendenkmalpflege rechtsverbindlich mit einer Rettungsgrabung beauflagte Investoren in näherer Zukunft keine den Auftrag ausführende Grabungsfirma finden werden, weil es an archäologischen Fachkräften mangelt, können Investitionen öfter nicht stattfinden resp. müssen zeitlich kräftig verschoben werden. Dann ist der politischen Druck auf Denkmalschutzgesetze die absehbare Folge (Stichwort „Entbürokratisierung“).
Wenn Ausgrabungen in der notwendigen Anzahl und Qualität schlicht nicht mehr durchgeführt und in den Ämtern nicht hinreichend geprüft archiviert, konserviert und zugänglich gemacht werden können, verschwindet mit dem undokumentiert weggebaggerten archäologischen Befund eine unwiederbringliche Ressource – denn jeder Ausgrabungsbefund bringt uns einzigartige Erkenntnisse über die Vergangenheit.
Diese mittelfristige Konsequenz der Streichung der Studiengänge ist nicht dramatisiert oder „an den Haaren herbeigezogen“, sie ist wissenschaftlich belastbar. Es geht bei Ihrer Entscheidung um diese Konsequenz.
Gewiss, auf beiden Qualifizierungswegen – dem handwerklichen Weg („Grabungstechniker“) wie dem Weg HTW Berlin – knarzt es. Der Studiengang an der HTW Berlin ist u.W. seit längerem nicht ausgelastet. Wir vermuten und geben Ihnen als Gedanken mit: wegen unglücklich hoher Einstiegshürden („Vorpraktikum“), was mit kleinen, realitätsorientierten Renovierungen der Studienordnung änderbar wäre. Gleichwie: die Absolventen der HTW-Studiengänge finden ohne weiteres schnell Anstellungen im öffentlichen Dienst und sind begehrte Arbeitskräfte. Die Knappheit an qualifiziertem Nachwuchs FH hat u.a. dazu geführt, dass entsprechende Stellenausschreibungen im öff. Dienst statt ehedem nach TV-L 9 neu regelhaft nach TV-L 11 erfolgen.
Wir fügen Ihnen anhängend einen aktuellen, zusammenfassenden Aufsatz bei, der den Arbeitsmarkt Archäologie in Deutschland eingehend beleuchtet. S. 7-9 gehen wir auf das Feld Grabungstechnik ein, auf dem es erheblich höheren Arbeitskräftebedarf als Absolventen gibt!
Bitte erwägen Sie, die in Deutschland einzigartigen Qualifizierungen im Bereich Grabungstechnik beizubehalten, deren Absolventen auf dem Arbeitsmarkt derzeit und in absehbarer Zukunft heiß begehrt sind.
Mit freundlichen Grüßen! Diane Scherzler, DGUF-Vorsitzende
Siegmund, F. (2025). Arbeitsmarkt ur- und frühgeschichtliche Archäologie in Deutschland: aktueller Stand und Entwicklungen. Archäologische Informationen 48, Early View, online publiziert 15. Sept. 2025. [PDF]
Schenk, Th. (2021). Zur Situation der Grabungstechnik aus der Hochschulperspektive. Rundbrief Grabungstechnik, 19, 41-43. [dort].
Stand: Okt. 2025