2023: Deutscher Studienpreis für Archäologie für Dr. William Daniel Snyder

Für seine Dissertation "New Experimental Insights into Early Hominin Cultures and Oldowan Technology" wurde William Daniel Snyder im Mai 2023 in Frankfurt /M. mit dem Deutschen Studienpreis für Archäologie ausgezeichnet. Snyder erarbeitete die Dissertation an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

Die Frage nach den Ursprüngen der menschlichen Kultur ist eines der grundlegendsten und am intensivsten diskutierten Themen archäologischer Studien. Die mit dem neunten DGUF-Studienpreis ausgezeichnete, von Claudio Tennie und Nicholas Conard betreute Arbeit beschäftigt sich hiermit auf innovative Weise: Snyder hinterfragt die in der Forschung vertretene Meinung, dass es sich bei dem Technologiekomplex des Oldowans um die früheste kumulative Kultur – d. h. ein auf speziellen kognitiven Mechanismen beruhendes Kopieren von Handlungsweisen – handelt.

W. D. Snyder bei der Protokollierung eines Experiments

Zur Klärung dieser Fragestellung entwickelte er ein Experiment, eine Problemlösungsstudie, bei der Probanden ohne archäologische Vorbildung eine Rätselkiste mit Hilfe bereitgestellter, zur Steingeräteherstellung geeigneter Rohmaterialien öffnen sollten. Ohne weitere Informationen und unabhängig voneinander entwickelten die Studienteilnehmer spontan und intuitiv verschiedene Vorgehensweisen, um einfache, aber funktionale Steinwerkzeuge herzustellen. Sowohl die Herstellungsstrategien als auch die daraus resultierenden Werkzeuge sind die mit denen des Oldowan gut vergleichbar. Die Herstellung einfacher Steinwerkzeuge erfordert somit kein Erlernen kulturell tradierter Techniken, sondern kann jederzeit ad hoc neu erfunden werden.

 

Preisträger W. D. Snyder (Mitte) mit DGUF-Beiräten J. Reinhard und M. Schauer.

Hieraus leitet Snyder ab, dass die Lernweise der frühen Homininen eher jener nichtmenschlicher Primaten ähnelt als der Lernweise heute lebendender Menschen. Die technologischen Prinzipien des Oldowan können zeitlich und geografisch wiederholt und unabhängig neu erfunden worden sein, sie erfordern kein „Erlernen“ und somit keine kulturelle Tradition. Snyder revolutioniert durch seine Forschungen unser Verständnis früher menschlicher Kultur.

Der bestechend klare und zugleich hochkomplexe, hoch interdisziplinäre Forschungsansatz kombiniert Psychologie, experimentelle Forschung und archäologisches Fachwissen kreativ und neuartig. Die Arbeit spiegelt eine eingehende Kenntnis der ethologischen, anthropologischen und archäologischen Literatur wider, ihr Forschungsansatz ist dabei so interdisziplinär wie innovativ. Besonders hervorzuheben sind die präzise Logik der Fragestellung und ihre Umsetzung in relevante Experimente sowie die daraus folgende stringente und facettenreiche Argumentation. Die Ergebnisse sind genauso kontrovers wie sie robust sind – sie tragen dazu bei, eine neue kognitiv-interpretatorische Grundlinie für die ältesten Kulturen der Menschheitsgeschichte zu ziehen.

Die Preisverleihung fand am 18. Mai 2023 um 16:30 Uhr im Archäologischen Museum der Stadt Frankfurt /M. statt.

 

Zum Preisträger

Preisträger William D. Snyder bei einem Feldaufenthalt in Afrika

William Daniel Snyder schloss 2015 seinen Bachelor in Anthropology and Human Biology an der Emory University (USA) ab. Es folgte ein Masterstudium der Naturwissenschaftlichen Archäologie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, welches er 2018 erfolgreich beenden konnte, direkt daran anschließend begann er mit seinem jetzt prämierten Promotionsvorhaben. Neben dem Studium war Snyder in diversen Auslandsprojekten sowohl als wissenschaftliche Hilfskraft als auch als Lehrender tätig. Bis heute ist er als wissenschaftlicher Zeichner und Grafiker sowie als Labor-Koordinator aktiv. Als Spezialist für frühe menschliche Kultur bzw. Lernprozesse nahm er an verschiedenen internationalen Tagungen teil, vor allem in den Jahren 2021 und 2022 erschienen zudem verschiedene von ihm (mit)verfasste Publikationen, darunter auch solche zu Teilaspekten seiner Dissertation.

Website von W. D. Snyder.

William D. Snyder bei Academia.edu.

William D. Snyder bei Twitter.

 

 

 

 

Wiss. Veröffentlichungen zur ausgezeichneten Arbeit

Snyder, W. D., Boysen, D., Orellana-Figueroa, J .D., Tennie, C. & Reeves, J. S. (in prep.). An overview of standardizable raw materials for controlled human knapper experiments.

Snyder, W. D. & Tennie, C. (in press). What kind of culture did early hominin toolmakers have?. Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.

Acerbi, A., Snyder, W. D. & Tennie, C. (2022). The method of exclusion (still) cannot identify mechanisms of cultural inheritance. Scientific Reports, 12, 21680. DOI: 10.1038/s41598-022-25646-9

Snyder, W. D., Reeves, J. S. & Tennie, C. (2022). Early knapping techniques do not necessitate cultural transmission. Science Advances, 8(27), eabo2894. DOI: 10.1126/sciadv.abo2894

Acerbi, A., Snyder, W. D. & Tennie, C. (2020). Ape cultures do not require behaviour copying. bioRxiv, 26.3.2020. DOI: 10.1101/2020.03.25.008177

 

Stand: 28. Mai 2023

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.